Die Umsetzung der durch die Änderung des Umsatzsteuergesetzes notwendigen Maßnahmen schreitet mit großen Schritten voran. Immer häufiger wird daher die Frage laut, wer eigentlich für das, was da ab dem 01.01.2023 auf uns zukommt, verantwortlich ist und wer dafür gerade zu stehen hat, wenn Fehler passieren oder gar massive Mängel festgestellt werden.
Für die Kirchengemeinden lautet die Antwort in der Kurzfassung: Verantwortlich für die Anmeldung, Erklärung und Abführung der Steuer ist das Presbyterium als Leitungsorgan, mithin die Pfarrer*innen und Presbyter*innen, die Mitglied des Presbyteriums sind. Sie haben auch dafür gerade zu stehen, wenn etwas nicht richtig läuft.
Wem diese Antwort ausreicht, der braucht jetzt nicht weiter zu lesen.
Alle diejenigen, die etwas genauer wissen möchten, wie das alles zusammen hängt, sind gern eingeladen, jetzt noch einen kleinen Ausflug in das Steuer- und Kirchenrecht zu unternehmen und der Sache etwas auf den Grund zu gehen.
Zunächst müssen wir daher ermitteln, wer denn überhaupt zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten aufgerufen ist, wer sie zu erfüllen hat.
Hier hilft uns die Abgabenordung (AO) weiter. Die AO ist die Verfahrensordnung für alle Steuern, die durch Bundesrecht oder EU-Recht geregelt sind und die durch Bundes- oder Landesfinanzbehörden verwaltet werden.
§ 33 AO legt fest, dass Steuerpflichtiger derjenige ist, der eine Steuer schuldet, für eine Steuer haftet, eine Steuer für einen Dritten einzubehalten und abzuführen hat oder auch wer eine Steuererklärung abzugeben hat, Sicherheit zu leisten hat, Bücher und Aufzeichnungen oder andere ihm durch die Steuergesetze auferlegte Verpflichtungen zu erfüllen hat.
Schauen wir jetzt weiter in das Umsatzsteuergesetz, so finden wir dort in § 13a UStG geregelt, dass regelmäßig der Unternehmer die Umsatzsteuer schuldet und in besonderen Fällen auch weitere Personen, wie der Erwerber, der Abnehmer oder der Rechnungsaussteller.
Unternehmer ist nach § 2 UStG derjenige, der eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt.
An dieser Stelle können wir schon mal ganz wichtig feststellen, dass diejenigen Menschen, die zum Beispiel auf einem Gemeindefest oder in einem Kirchcafé das Geld einnehmen und dort die Aufzeichnungen machen, dies nicht selbständig tun und damit auch weder Unternehmer noch Steuerpflichtige sind. Sie sind somit nicht die, die die steuerliche Verantwortung tragen.
Wird jemand ehrenamtlich im Rahmen eines Gemeindefestes tätig, so werden diese Arbeiten von ihm in der Regel für die Kirchengemeinde, als kleinste eigenständige kirchliche Körperschaft oder auch für den Kirchenkreis, als nächst größere, selbständige Einheit ausgeführt.
Die Kirchengemeinde ist, wie auch der Kirchenkreis, als eigenständige Körperschaft des öffentlichen Rechts diejenige, die z.B. im Rahmen eines Kirchcafés selbständig eine gewerbliche Leistung erbringt. Sie ist damit Unternehmer und schuldet die Steuer nach den Regeln des Umsatzsteuerrechts, was sie zur Steuerpflichtigen im Sinne der Abgabenordnung macht.
Auch wenn wir jetzt festgestellt haben, dass die Kirchengemeinde Steuerpflichtige ist, so kann eine Kirchengemeinde, als eine juristische Person des öffentlichen Rechts, ja nicht allein handeln, hierzu bedarf es immer natürlicher Personen, also Menschen wie Du und ich.
Da immer nur echte Menschen handeln können, regelt der § 34 AO, dass bei juristischen Personen die gesetzlichen Vertreter zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten der von ihnen vertretenen Körperschaft verpflichtet sind.
Um herauszufinden, wer dies bei einer Kirchengemeinde oder dem Kirchenkreis ist, müssen wir jetzt in die Regelungen der Kirchenordnung, des Kirchengesetzes über die Verwaltungsorganisation (VwOrgG) und auch in die Satzung der einzelnen Kirchengemeinde schauen.
So wird nach der Regelung des Art. 55 der Kirchenordnung der Evangelischen Kirche von Westfalen die Kirchengemeinde vom Presbyterium geleitet. Nach der Regelung des Art. 57 Buchstabe r) der Kirchenordnung vertritt das Presbyterium die Kirchengemeinde im Rechtsverkehr und ist daher das für die rechtliche Vertretung gegenüber Behörden und Dritte zuständige Leitungsorgan und daher das Gremium, das auch zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten der Kirchengemeinde verpflichtet ist.
Die Pfarrer*innen und Presbyter*innen, die zusammen das Presbyterium bilden, haben daher gemeinsam dafür Sorge zu tragen, dass die steuerlichen Pflichten der Kirchengemeinde erfüllt werden. Sie sind diejenigen, die auf der Ebene der Kirchengemeinde die Verantwortung für die Anmeldung und Zahlung der Umsatzsteuer tragen. Sie haben entsprechend der Regelung des § 34 Abs. 1 AO dafür zu sorgen, dass die Steuern aus den Mitteln der Kirchengemeinde gezahlt werden können.
Exkurs: Kirchmeister/-in
Auch wenn wir festgestellt haben, dass es das Presbyterium ist, dass als Ganzes die Verantwortung für die zutreffende steuerliche Abwicklung trägt, soll hier noch kurz auf die besondere Stellung der Kirchmeisterin/des Kirchmeisters eingegangen werden.
Nach Art. 61 Abs. 2 Satz 3 der Kirchenordnung, beaufsichtigen die Kirchmeister*innen das Kassen- und Rechnungswesen der Kirchengemeinde nach der entsprechenden Ordnung, das heißt hier der Verwaltungsordnung doppik (VwO.d). Nach § 7 VwO.d führen sie die Aufsicht über das Haushaltswesen sowie über das Vermögen der Kirchengemeinde, ihnen ist in der Regel in haushaltsrechtlichen Angelegenheiten die Feststellung der sachlichen und rechnerischen Richtigkeit übertragen. In diesem Zusammenhang ist von ihnen natürlich auch auf die steuerliche Ordnungsgemäßheit von Belegen und Unterlagen sowie im Ergebnis des gesamten Finanzwesens der Kirchengemeinde zu achten.
Dies bedeutet auf der einen Seite, dass die Kirchmeister und Kirchmeisterinnen gegenüber der Kirchengemeinde eine erhöhte Verantwortung tragen, da ihnen hier die Kontrolle seitens der Kirchengemeinde übertragen worden ist. Auf der anderen Seite bedeutet dies aber nicht, dass Kirchmeisterinnen und Kirchmeister deshalb allein nach außen verantwortlich sind, hier bleibt es bei der Verantwortlichkeit des Presbyteriums als Ganzes, das im Zweifel wiederum auch seine Kirchmeister*innen kontrollieren muss.
Läuft alles so, wie es soll, wird also die Steuer ordnungsgemäß für die Gemeinde angemeldet, erklärt und abgeführt, trägt die Kirchengemeinde auch allein die Steuer. Pfarrer*innen und Presbyter*innen haben nicht für die Steuer mit ihrem eigenen Vermögen einzustehen.
Was passiert aber, wenn die steuerlichen Regelungen nicht eingehalten werden, Steuern zu spät oder gar nicht angemeldet, erklärt oder gezahlt werden?
Verletzen das Presbyteriums, also die Pfarrer*innen und Presbyter*innen, die ihnen obliegenden Pflichten vorsätzlich oder grob fahrlässig, so haften sie auch persönlich für die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis gemäß § 69 AO.
Die Kirchengemeinde bleibt jedoch auch in dem Fall, dass Pfarrer*innen oder Presbyter*innen in Haftung genommen werden können, Schuldnerin der Steuer, das heißt zur Zahlung verpflichtet. Da davon auszugehen ist, dass die Kirchengemeinde ihren Verpflichtungen aus dem Steuerschuldverhältnis nachkommen wird, dürfte es zu einer Inanspruchnahme der Pfarrer*innen oder Presbyter*innen in diesen Fällen nicht kommen können.
Dies bedeutet aber nicht, dass es völlig egal ist, ob Pfarrer*innen und Presbyter*innen den ihnen für die Kirchengemeinde obliegenden steuerlichen Pflichten nachkommen oder nicht. Nach § 5 Abs. 3 VwOrgG haften nämlich die Mitglieder der Leitungsorgane, also hier die Pfarrer*innen und Presbyter*innen, der Gemeinde gegenüber nach den allgemeinen Bestimmungen der Amtshaftung, wenn sie grob fahrlässig oder vorsätzlich gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen. Auch wenn es bislang wohl noch keinen Haftungsfall gegeben hat, ist diese Regelung erst zu nehmen, zumal § 2 Abs. 1 VwOrgG die Leitungsorgane zu ordnungsgemäßen Verhalten und auch zur Einrichtung eines internen Kontrollsystems verpflichtet.
Wird daher grob fahrlässig oder sogar vorsätzlich gehandelt, so dürfte die Kirchengemeinde verpflichtet sein, zumindest Buß- und Zwangsgelder, oder auch andere über den eigentlichen Steueranspruch hinausgehende Zahlungen von den für sie handelnden Pfarrer*innen oder Presbyter*innen zurück zu fordern.
Auch muss beachtet werden, dass es nicht nur um die Erfüllung der steuerlichen Anmelde-, Erklärungs- und Zahlungspflichten geht, sondern im Extremfall auch um eine strafrechtliche Verantwortung, die die Pfarrer*innen und Presbyter*innen treffen kann.
Eine Steuerhinterziehung, geregelt in § 370 AO, liegt nämlich bereits dann vor, wenn dem Finanzamt gegenüber unrichtige Angaben gemacht werden und dadurch für einen anderen, hier also die Kirchengemeinde, ein nicht gerechtfertigter Steuervorteil erlangt wird.
Nach den gesetzlichen Regelungen kann ein solcher, nicht gerechtfertigter Steuervorteil schon dann vorliegen, wenn Anmeldungen oder Erklärungen verspätet eingereicht werden, die Steuer daher nicht rechtzeitig festgesetzt und gezahlt werden kann. Hier ist es zum Beispiel wichtig, dass Vertretungsregelungen geschaffen werden, die dafür sorgen, dass auch in Urlaubs- oder sonstigen Abwesenheitsfällen die notwendigen Unterlagen rechtzeitig zur Bearbeitung ins Kreiskirchenamt kommen, damit die fristgerechte Erstellung der Umsatzsteuervoranmeldungen gewährleistet ist.
Wird nur leichtfertig gehandelt, so kann dies eine Ordnungswidrigkeit nach § 378 AO darstellen.
Im Bereich des Straf- und Ordnungswidrigkeitsrechts tragen die Pfarrer*innen oder Presbyter*innen uneingeschränkt selbst die Verantwortung für ihr Handeln oder auch Unterlassen und können neben einer Strafe oder einem Bußgeld auch für ausgefallene Steuern selbst in Haftung genommen werden.
Das Presbyterium einer Kirchengemeinde, das heißt die Pfarrer*innen und Presbyter*innen, müssen sich daher darüber im Klaren sein, dass es ihre Aufgabe ist, die steuerlichen Pflichten der Kirchengemeinde entsprechend den Steuergesetzen zu erfüllen und dass sie auch selbst in Anspruch genommen werden können, wenn sie in diesem Bereich nicht sorgfältig handeln.
Zu einem sorgfältigen Handeln gehört neben dem Einhalten der steuerlichen und kirchlichen Regelungen z.B. auch, dass die Hinweise der eigenen Rechnungsprüfung auf Fehler ernst genommen und abgestellt werden, oder das Urlaubsregelungen für das Gemeindebüro getroffen werden, damit sichergestellt ist, dass steuerliche Fristen eingehalten werden können. Sind Unzulänglichkeiten bekannt und werde diese nicht abgestellt, so ist kaum zu begründen, dass hier nur eine leichte Fahrlässigkeit vorliegt.
Zudem gilt hier, wie auch überall sonst: Unwissenheit schützt vor Strafe nicht. Alle in den Leitungsorganen Tätige sollten daher die vorhandenen Möglichkeiten nutzen, um sich zu informieren und sich auch ihres Anspruches bewusst sein, dass sie nach § 5 Abs. 2 VwOrgG umfassende Einsichts- und Unterrichtungsrechte haben.
Pfarrer*innen und Presbyter*innen als Mitglieder der Presbyterien tragen somit die Verantwortung für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der von ihnen vertretenen Kirchengemeinde. Soweit sie hier, was ja selbstverständlich ist, die steuerlichen und auch kirchlichen Regeln einhalten, sind sie nicht für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis haftbar und brauchen auch Maßnahmen des Straf- oder Ordnungswidrigkeitsrechts nicht fürchten.
Dieser Text steht auch als Infoschreiben Nr. 17 in den Downloads zu Verfügung.